Camagüey

Typische Straße in der Altstadt von Camagüey.
Im Hintergrund die Iglesia de Nuestra Corazón de
Sagrado Jesús, 1920 im gotischen Stil erbaut.
Auf der Reise in den Osten bietet sich Camagüey als Zwischenstation an. Nur wenig weiter in Las Tunas beginnt der »oriente«, dessen Bewohner sogar unter Kubanern als besonders heißblütig verschrien sind. Camagüey selbst lässt sich weder dem Westen noch dem Osten so recht zuordnen. Die mit 325 000 Einwohnern drittgrößte Stadt der Insel hat ihren ganz eigenen Charakter. 1514 als Santa María del Puerto Príncipe an der Küste gegründet, verlegte man den Ort wegen häufiger Indianeraufstände und Piratenüberfälle schon bald ins Landesinnere. 1903, fünf Jahre nach Erlangung der Unabhängigkeit, wurde der Name in Camagüey geändert, wohl um das lästige Príncipe (Thronfolger) loszuwerden, das zu sehr an die verhasste spanische Krone erinnerte.


Camagüey hat die zweitgrößte Altstadt Kubas mit
unzähligen Kolonialbauten. Eine Besonderheit
sind die gewundenen Straßen.

Zweitgrößte Altstadt Kubas

2008 wurde ein 54 Hektar großes Gebiet im Herzen Camagüeys zum Weltkulturerbe erklärt. Das historische Zentrum bildet nach Havanna die größte erhaltene Altstadt Kubas. Eine Eigenart, die Camgüey von vielen anderen planmäßigen Kolonialgründungen der Spanier unterscheidet, sind die regellosen gewundenen Straßen und Gassen, die sich unvermittelt zu kleinen Plätzen öffnen und ein regelrechtes Labyrinth bilden. Die Bewohner waren über Jahrhunderte immer wieder Opfer von Piratenüberfällen. Es heißt, sie haben die Gassen bewusst so unübersichtlich gebaut, um Angreifer in die Irre zu führen. Die Wahrheit ist wohl einfacher: Im Stadtgebiet stehen fünfzehn Kirchen. Jede Kirche bildet einen eigenen Kern, um den sich die Häuser scharen, weil jeder möglichst dicht bei seinem Gotteshaus wohnen wollte.

Gut restaurierte Kolonnaden mit schlanken, bunt gefassten Säulen in der Altstadt von Camagüey.
Beim Flanieren durch die ausgedehnte Altstadt stößt man überall auf architektonische Kleinode.


Parroquia Santa Ana, die älteste Kirche von Camagüey
mit Einflüssen des spanischen Mudejarstils.

Hochburg der katholischen Kirche

Wo es ging, hat der Kommunismus den Einfluss der Kirche zurückgedrängt. Doch Camagüey ist nach wie vor eine Bastion des Katholizismus. Nicht zufällig war die Stadt 1998 einer von vier Orten Kubas, an denen Papst Johannes Paul II. die Messe las.











Plaza de San Juan de Dios mit dem Hospital, in dem Padre Ollalo
fast sein ganzes Leben zubrachte. Seine sterblichen Überreste
in die Kapelle des Hospitals überführt.
Wir wohnen bei Jorge und Mercy. Jorge spricht etwas deutsch, zu Zeiten der DDR arbeitete er einige Jahre in Leipzig. Unser Casa particular steht am südlichen Rand der Altstadt in der Calle Padre Olallo. Padre Olallo lebte 1820 bis 1889. Er war ein Findelkind und wuchs in einem Waisenhaus in Havanna auf. Schon Früh trat er in den Orden der Barmherzigen Brüder ein. Mit 14 oder 15 Jahren kam er in das Ordenskrankenhaus Hospital de San Juan de Dios von Camagüey, wo er bis zu seinem Tod Großes leistete. 2008 wurde er bei einer Zeremonie in Camagüey selig gesprochen.






Die Kirche Iglesia de Nuestra Corazón de Sagrado Jesús am Parque de La Juventud, davor die Statue von José Martí.
Vor der Kirche Iglesia de Nuestra Corazón de Sagrado Jesús
steht das obligatorische Denkmal für José Martí.

Ignacio Agramonte - Kämpfer für die Unabhängigkeit

In den Unabhängikeitskämpfern des 19. Jahrhunderts verehrt die Revolution ihre Vorläufer. Keine größere Stadt, die nicht eine Plaza nach Céspedes benannt oder eine Statue von José Martí aufgestellt hätte. Der Dichter José Martí fiel ganz zu Beginn des zweiten Unabhängigkeitskriegs (1895 bis 1898). Martí lebte lange im Exil und war bestens mit der nordamerikanischen Politik vertraut. Er wies von Anfang an auf die Gefahr hin, dass die USA sich einmischen und die Früchte des Kampfs gegen Spanien ernten könnten. Genau so kam es 1898 dann auch. Übrigens: von Martí stammen die Verse zum weltbekannten Lied Guantanamera.

Geburtshaus des Freiheitshelden Ignacio Agramonte, viele Balkone mit Holzbalustraden; im Hintergrund weiteres Haus mit Bildnis von Che Guevara.
Das Geburtshaus des Freiheitshelden Ignacio Agramonte.
Im Hintergrund zu sehen, sicher nicht ganz zufällig, der Held
der neuen Revolution: Che Guevarra.
1868 rief Carlos Manuel de Céspedes zum Kampf gegen die Kolonialmacht auf. Das war der Auftakt zum »zehnjährigen Krieg« (1868 bis 1878). Dem Aufruf folgte Ignacio Agramonte in Camagüey. Zusammen mit anderen Viehzüchterfamilien stellte er eine Kavalleriebrigade auf, die er in den Kampf führte. Die Kavallerie spielte eine wichtige Rolle beim Widerstand gegen die spanischen Truppen. Céspedes wurde Präsident der im Untergrund gebildeten kubanischen Republik, der Jurist Iganacio Agramonte erhielt den Posten des Parlamentssekretärs und beteiligte sich an der Ausarbeitung einer Verfassung. Beide fielen im Kampf gegen spanische Kolonialtruppen, Agramonte 1873, Céspedes 1878. Das Geburtshaus Ignacio Agramontes vereint spanisches Barock und arabisch beeinflussten Mudejarstil mit kubanisch-kolonialer Neoklassik. Es beherbergt ein Museum, das der Rolle Agramontes im Unabhängigkeitskrieg gewidmet ist.

Camagüey, Altstadt. Kubanische Schüler in Uniform gehen nach Hause.
Schüler auf dem Heimweg.
Wie wird es in Kuba aussehen, wenn sie erwachsen sind?

Kubanische Marktwirtschaft

Seit dem Zusammenbruch der wirtschaftlichen Beziehungen zu den sozialistischen Brudervölkern, ist die kubanische Planwirtschaft auf sich allein gestellt. In den Neunziger Jahren wurde die Lebensmittelversorgung so schwierig, dass die Bevölkerung am Rand einer Hungersnot stand. Im Jahr 2014 sieht es deutlich besser aus, doch ohne nicht selten illegale Geschäfte mit Touristen oder Überweisungen von Verwandten aus dem Ausland kommt der Durchschnittsbürger nach wie vor kaum über die Runden.

Bauernmarkt, wellblechgedeckte Stände mit Obst und Gemüse.
Bauernmarkt in Camagüey.
Trotz staatlicher Grundversorgung geben ärmere Kubaner 80 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus! Die Regierung versucht natürlich, die Lebensmittelversorgung zu verbessern. So dürfen die Produzenten seit wenigen Jahren Überschüsse auf Bauernmärkten verkaufen, auf »agropecuarios«. Der Bauernmarkt von Camagüey liegt am Rio Hatibonico und nennt sich dementsprechend Mercado Agropecuario El Rio. Dieser Markt wird sogar im Führer von Lonely Planet als besuchenswertes touristisches Ziel
hervorgehoben.

Verkehrsreiche Straße, Autos, Fußgänger, Bus, Fahräder, Bicitaxis.
Hauptgeschäftsstraße außerhalb der Altstadt.



Um zum »Mercado Agropecuario El Rio« zu gelangen folgen wir dem Rio Hatibonico, der auf der südöstlichen Seite der Altstadt fließt. Eigentlich ein malerischer Anblick, doch die dreckige Brühe im Flussbett, in der allerhand Abfall treibt, trübt den Eindruck. Der Weg führt durch die belebten Geschäftsviertel außerhalb der Altstadt. Uns überholen Busse, Straßenkreuzer, die als Kollektivtaxis dienen, und unzählige Pferdefuhrwerke. Der Markt wirkt bescheiden, allerdings liegt das auch an der Jahreszeit: Jetzt, am Ende der Trockenzeit, ist das Angebot gering, es gibt nur wenig Obst und Gemüse.

Zwei Pferdefuhrwerke und ein Radfahrer fahren zum Markt.
Reger Verkehr zum Bauernmarkt.

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