Baracoa

Kuba, Baracoa, Rio Macaguanigua, wasserreicher Fluss, üppige Vegetation.
Saftiges Grün und wasserreiche Flüsse (hier der
Macaguanigua) prägen die Landschaft Baracoas.
In Baracoa, im äußersten Osten Kubas, betrat Kolumbus am 28. Oktober 1492 erstmals den Boden Amerikas. Hier schrieb er den oft zitierten Satz in sein Logbuch: »Diese Insel ist wohl die schönste, die Menschenaugen je gesehen.« Eine unzugängliche Gebirgskette schottet die Bucht von Baracoa vom unwirtlichen Hinterland um Guantanamo ab. Seit 1964 erschließt eine Straße die paradiesische Gegend, doch aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht sie nur langsam.



Holzhaus in Baracoa, Kuba
Traditionell werden die Häuser in Baracoa aus Holz gebaut.
In Baracoa ist alles anders: die Häuser, die Menschen, das Essen, ja, sogar das Klima. Es regnet häufiger als sonst in Kuba, auch während der winterlichen Trockenzeit. Auf den Berghängen breitet sich tropischer Regenwald aus, den man auf der Insel sonst vergeblich sucht. Zahlreiche Flüsse prägen die Landschaft. Der Rio Toa ist der wasserreichste Fluss Kubas. Da es Wald im Überfluss gibt, baut man die Häuser aus Holz. Bunt angestrichen bieten sie einen malerischen Anblick in der sattgrünen Landschaft. Im abgeschiedenen Baracoa konnte sich die Urbevölkerung lange halten - viele Einwohner tragen indianische Gesichtszüge. Der Speiseplan ist von der kreolischen Küche des nahegelegenen Haiti beeinflusst und raffinierter als selbst in den Metropolen Havanna und Santiago. Auf nach Baracoa!


Baracoa, Kuba, Blick über die Stadt und die Bahía de Baracoa
Blick über die Bucht von Baracoa.


Auf nach Baracoa!

Leichter gesagt als getan. Nach wie vor ist die Gegend schwer zu erreichen. Wir mussten mitten in der Nacht in Camagüey aufbrechen, um Anschluss an den einzigen Bus zu bekommen, der Baracoa regelmäßig mit dem Rest der Welt verbindet: Ein Fahrzeug der Viazul startet morgens um acht Uhr von Santiago de Cuba, erreicht sein Ziel nach fünf aufreibenden Stunden und fährt etwa um zwei Uhr am gleichen Nachmittag wieder zurück.
Auf halber Strecke kommen wir durch Guantanamo. Etwa zwanzig Kilometer südlich der Stadt liegt der berüchtigte US-Stützpunkt an der Küste. Hinter Guantanamo passieren wir die Halbwüste Baitiquirí. Kakteen und Agaven säumen die staubige Straße in der trockensten Ecke Kubas. Das Land ist fast menschenleer. In dieser Einöde suchten vor Aufhebung der Sklaverei die »cimarrones« Zuflucht, die entlaufenen Sklaven.

Bei Baracoa, Kuba, kleine bäuerliche Hütte, Dach mit Gouano (getrockneten Palmwedeln) gedeckt.
Bäuerliches Gehöft im Nirgendwo.
Bei Cajobabo verlässt die Straße die Küste und wendet sich scharf nach Norden. Auf den letzten vierzig Kilometern müssen die steilen Hänge und scharfen Grate der »Cuchillas« überwunden werden. Cuchilla heißt Messer, und genau so sehen die Berge auch aus. Die Straße wird La Farola geannnt, eine ingenieurtechnische Meisterleistung aus Stahlbeton, die 1964/1965 gebaut wurde. Eigentlich ist es weniger eine Straße, mehr eine in der steilen Böschung verankerte Brückenkonstruktion. Vor dem Bau der Straße war Baracoa nur mit dem Schiff erreichbar. La Farola hat ihre besten Tage jedoch schon hinter sich. Der Beton ist häufig gerissen oder gebrochen, der Bus quält sich immer wieder heftig schaukelnd durch Schlaglöcher. Wir haben in der vergangenen Nacht nicht geschlafen und sind glücklicherweise viel zu müde, um uns vor den Abgründen neben der Straße zu grausen.

Baracoa, Kuba, Ochsen mit Joch ziehen einen Wagen.
Auf dem Land trifft man noch
allenthalben Ochsengespanne an.
Doch die Landschaft ist grandios. Eben noch in der trockenen, wüstenartigen Küstenregion, tauchen wir binnen kurzem in neblig-feuchte Wälder ein. Die Berge der Sierra del Purial, zu denen die Cuchillas gehören, trennen die trockenste Gegend Kubas von der einzigen Region, in der aufgrund ganzjährig hoher Niederschläge tropische Regenwälder gedeihen. Außer unserem Bus ist kein Auto unterwegs. Gelegentlich erhaschen wir einen Blick auf Gehöfte, die aus dem saftigen Grün hervorlugen. Ab und zu passieren wir Bauern mit urweltlich anmutenden Ochsengespannen.




Baracoa, Kuba, Calle Rodney, unbefestigter, schlammiger Weg nach Regen.
Nach einem Wolkenbruch wird unsere
Straße zum Schlammpfuhl.

Meilin und Elio

Wie es sich für die regenreichste Stadt Kubas gehört, empfängt uns am Ziel ein tropisches Gewitter. Mit dem Fahrradtaxi, notdürftig durch eine Plastikplane geschützt, werden wir zu unserer Unterkunft gebracht. Sie liegt weit weg vom Busbahnhof am anderen Ende der Stadt in einer unbefestigten Straße, die jetzt zum Schlammpfuhl geworden ist. Das Stadtviertel wirkt sehr ländlich. Hinter unserem Haus erstrecken sich üppige Gärten mit Bananen, Guaven, Papayas und Zitrusfrüchten. Jeden Morgen weckt uns Hahnengeschrei. Offenbar züchtet der Nachbar Kampfhähne.

Baracoa, Kuba, Garten mit Bananenstauden und Obstbäumen, sehr grün.
Baracoa ist sehr grün und sehr ländlich. Blick in den Garten unseres Hauses.


Baracoa, Kuba, Casa particular
Unsere Gastgeberin Meilin ist eine
ausgezeichnete Köchin.
Überall in Kuba wurden wir auf das herzlichste aufgenommen. Aber unsere Gastgeber in Baracoa setzen noch mal eins drauf. Mit Meilin und Elio verstehen wir uns auf Anhieb bestens. Meilin ist Lehrerin und spricht mit uns so langsam und deutlich, dass wir wirklich alles verstehen. Mit ihr können wir uns über jedes Thema unterhalten. Meilin kocht leidenschaftlich gerne, wovon wir natürlich auch profitieren. Ihr Mann Elio ist ein äußerst sympathischer ruhiger Typ. Mit sechzehn Jahren kam er zum Militär und wurde nach drei Jahren Ausbildung für zwei Jahre nach Angola geschickt. Viele Männer aus Baracoa mussten in diesem heute fast vergessenen Konflikt ihr Leben lassen. Das Eingreifen Kubas hat nicht nur Angola davor bewahrt, unter die Herrschaft Südafrikas zu geraten, sondern auch zum Ende der Apartheid und zur Unabhängigkeit Namibias beigetragen. Das Museum Centro de Veteranos an der Hauptstraße Baracoas ist den in Angola gefallenen Kubanern gewidmet.



Baracoa, Kuba, Blick über Hafeneinfahrt, im Vordergrund rostiges Wrack, im Hintergrund El Yunque.
El Yunque, der Amboss, Landmarke für alle Seefaher
seit Kolumbus. Das rostige Wrack in der Einfahrt zum Hafen ist
zum zweiten Wahrzeichen Baracoas geworden.

Älteste Stadt Kubas

Baracoa sollte man sich, wie einst Kolumbus, vom Meer nähern. Kolumbus beschrieb als Erster das weithin sichtbare Wahrzeichen der Stadt, den El Yunque. Generationen von Seefahrern diente der Tafelberg als Landmarke. Er ist 575 Meter hoch und heißt wie er aussieht: El Yunque bedeutet Amboss. Baracoa ist ein einheimisch-indianischer Name, den man mit „Gegenwart des Meeres“ übersetzen kann.





Kuba, Baracoa, Bucht mit Hafen.
Hafen in der Bahía de Baracoa, wo Kolumbus das
erste Kreuz auf amerikanischem Boden aufstellte.


Der heute gut 40 000 Einwohner zählende Ort schmiegt sich an die Küste und trennt die große Bahía de Miel von der kleineren „Bahía de Baracoa“. Letztere ist gut vor Stürmen geschützt. Es wird überliefert, dass Kolumbus an dieser Bucht, die bis heute als Hafen dient, ein Holzkreuz errichtete. Das »Cruz de la Parra« existiert noch und kann besichtigt werden. Untersuchungen haben bestätigt, dass es tatsächlich 500 Jahre alt ist. Von 29 Kreuzen, die Kolumbus bei seinen Entdeckungsfahrten aufstellte, ist das Cruz de la Parra in Baracoa das einzige, das bis zum heutigen Tag erhalten blieb.

Baracoa, Kuba, belebte Straße, viele Fußgänger, ein Camion (LKW für Personentransport)
Baracoa ist eine bescheidene Stadt
geblieben, auch wenn der Tourismus
an Bedeutung gewinnt.
Knapp 20 Jahre nach Kolumbus kam der vom spanischen König ausgesandte Gouverneur Diego Velázquez und gründete am 15. August 1511 an der Bucht die erste und damit älteste Stadt Kubas. Gleichzeitig richtete er das erste Bistum ein und baute eine Kathedrale. Diese Anfänge kann man sich gar nicht bescheiden genug vorstellen. Alle Gebäude bestanden aus Holz, das Dach der ersten Kathedrale war mit getrockneten Palmwedeln gedeckt. Schon 1515 verlegte Velázquez den Regierungssitz nach Santiago de Cuba, das sehr viel leichter zu erreichen und zu versorgen war.


Kuba, Baracoa, Castillo de Seboruco.
Über der Stadt thront das Castillo de Seboruco
(gelbes Gebäude im Hintergrund rechts).


Baracoa versank daraufhin in Bedeutungslosigkeit und war für Jahrhunderte räuberischen Angriffen vom Meer hilflos ausgeliefert. In den Jahren ab 1739 baute man mehrere Festungen, die endlich Schutz vor Piratenüberfällen boten. 100 Meter über der Stadt thront das Castillo de Seboruco. Die Festung beherbergt heute das Hotel Castillo. Von der Terrasse vor dem Hotel kann man den ganzen Ort überblicken. Am Meer verläuft der breite, etwas öd wirkende Malecón. An den Enden stehen zwei weitere Festungen: La Punta schützt die Hafeneinfahrt, im Fort Matachin am anderen Ende ist das sehenswerte Stadtmuseum untergebracht.

Kube, Baracoa, Terrasse des Hotels Seboruco, Blick über Baraco und Bahía de Baracoa.
Von der Terrasse vor dem Hotel im Castillo de Seboruco reicht der Blick über ganz Baracoa.


Kuba, Baracoa, Kakaoplantage im Tal des Flusses Duaba.
Kakaoplantage im Tal des Flusses Duaba.

Neue Bewohner aus Haiti


Um 1800 begann eine neue Ära für Baracoa. Insgesamt fanden in der Bucht etwa 100 französische Familien Zuflucht, die der Sklavenrevolte auf dem nahegelegenen Haiti entkommen waren. Sie legten Kaffee-, Kokos- und Bananenplantagen an, insbesondere aber brachten sie den Kakao mit. Aufgrund des feucht-warmen Klimas gedeiht die Kakaobohne hier besonders gut, weshalb Baracoa in Kuba auch »Stadt der Schokolade« genannt wird.

Am Rand der Stadt steht die einzige Schokoladenfabrik Kubas, die kein Geringerer als Che Guevara bauen ließ. Entsprechend wird überall in Baracoa vor Ort hergestellte Schokolade angeboten, die man unbedingt probieren sollte.


In Baracoa steht die einzige Schokoladenfabrik Kubas.
Sie wurde 1963 von Che Guevara eingeweiht.
Die französischen Flüchtlinge verhalfen ihrer neuen Heimat zu einer gewissen wirtschaftlichen Blüte. Es ist sicher kein Zufall, dass die Stadt bald nach ihrer Ankunft wieder einen repräsentativen Kirchenbau in Angriff nahm. Die »Catedral de Nuestra Senora de la Ascuñción« liegt mitten im recht übersichtlichen Stadtzentrum. Sie wurde 1833 über der sehr viel älteren ursprünglichen Kirche neu errichtet. Nach der Revolution hat man die neue Kirche lange Zeit vernachlässigt. Doch jetzt wird das Gebäude schon seit Jahren renoviert.


Kuba, Baracoa, Catedral de Nuestra Senora de la Asuncion
Catedral de Nuestra Senora de la Ascuñción.
Obwohl die Kathedrale von außen inzwischen wieder ganz passabel wirkt, konnte man zum Zeitpunkt unseres Besuchs Anfang April 2014 das Innere noch nicht besichtigen. Am zentralen Platz vor der Kirche findet man auch das Casa de Chocolate. Das Haus der Schokolade strahlte zumindest während unseres Aufenthalts definitiv den spröden Charme kommunistischer Misswirtschaft aus. Wir bekamen von den gelangweilten Bedienungen nie das, was wir bestellten, und auch die Rechnung war alles andere als korrekt. Kein Vergleich mit dem Museo del Chocolate in Havanna, das für wenig Geld sehr viel mehr bietet und sowohl bei Einheimischen als auch Touristen äußerst beliebt ist.



Kuba, Baracoa, bäuerliches Haus, ländlich, Schweine
Einfache Häuser am Stadtrand von Baracoa.

Las Cuevas del Paraíso - die Paradieshöhlen


In Baracoa gibt es ein sehr sehenswertes Archäologisches Museum. Es liegt oberhalb der Stadt, wo die Ausstellung stimmungsvoll in mehreren Höhlen eingerichtet ist. Wir möchten das Museum besichtigen, geraten aber vom richtigen Weg ab. Über steile, morastige Wege zwischen Gärten und Hütten gelangen wir in Randbezirke, in die sich normalerweise kein Tourist verirrt. Man wähnt sich fast in einem Dorf im Dschungel.

Kuba, Baracoa, Ferkel auf Straße
Schweinefleisch gilt als Grundnahrungs-
mittel, ist aber vergleichsweise teuer.
Schweine wühlen im Schlamm, Hühner laufen zwischen unseren Beinen hindurch. Einer jungen Frau geben wir Pesos Convertibles für eine Euromünze aus Deutschland, mit der sie gar nichts anfangen kann. Sie ruft ihre Freundin, die auch noch einige europäische Münzen zum Vorschein bringt und umtauscht. Dann machen sie ein bisschen Smalltalk mit uns. Die Kleider der beiden jungen Frauen sind sehr abgetragen, das Leben in den umliegenden Hütten scheint nicht gerade rosig zu sein. Man kann nur hoffen, dass es auch in solchen Vierteln bald wieder aufwärts geht.

Kuba, Baracoa, archäologisches Museum, Tainohöhlen
Das archäologische Museum von Baracoa ist in den Höhlen
der Urweinwohner eingerichtet worden.
Auf der Felsterrasse beim Museum angelangt, bietet sich eine weite Aussicht über die gesamte Bucht von Baracoa. In den Höhlen setzten einst die einheimischen Taino-Indianer ihre Toten bei. Ihre Siedlung lag in unmittelbarer Nähe auf der Felsterrasse. Das Höhlensystem öffnet sich zu drei größeren Räumen, die den Tainos als Grabkammern dienten. Außer Bestattungen mit Beigaben sind dort Funde ausgestellt, verzierte Tongefäße, Statuetten aus Stein, außerdem gibt es in die Felswände geritzte künstlerische Darstellungen, die bis zu 3000 Jahre alt sein sollen.

Kuba, Baracoa, archäologisches Museum, Naturgeist Cemie, Statuette aus Stein.
Naturgeist (Cemie) der Tainos, aufgestellt
in den Cuevas del Paraiso.
Vor Ankunft der Spanier besiedelten die Tainos die großen karibischen Inseln Hispaniola (heute Haiti und Dominikanische Republik), Kuba und Puerto Rico. Sie bauten Maniok, Mais, Süßkartoffeln und Tabak an. Nach der Entdeckung Amerkikas 1492 setzten sich die Spanier zuerst in Hispaniola dauerhaft fest. Sie unterwarfen die Einheimischen in einem erbarmungslosen System zur Zwangsarbeit. Schon wenige Jahrzehnte nach der Conquista galten die Eingeborenen als ausgestorben. Ursache war wohl nicht allein die barbarische Behandlung durch die Spanier, sondern auch fehlende Immunabwehr gegen aus Europa eingeschleppte Krankheiten. Als Diego Velázquez 1511 in Kuba landete, kam ihm Hatuey zuvor. Hatuey war ein Taino-Häuptling, der mit mehreren Hundert Gefolgsleuten vor der spanischen Herrschaft in Hispaniola floh. Die Taino waren gute Seefahrer. In ihren Kanus fanden bis zu 80 Personen Platz. Hatuey warnte die Ureinwohner Kubas vor den Spaniern und versuchte einen Aufstand gegen Diego Velázquez zu organisieren.


Kuba, Baracoa, Statue es Hatuey über Stadt und Bucht von Baracoa
Hatuey wacht im Auftrag der Revolution über die Buch
von Baracoa.
Der Aufstand scheiterte und Hatuey endete 1512 auf dem Scheiterhaufen. Die Revolution hat Hatuey für sich vereinnahmt und feiert ihn als »Ersten Held der kubanischen Nation«. Es gibt sogar eine Biermarke »Hatuey«. Bartolomé de Las Casas berichtet aus erster Hand, dass Hatuey vor der Hinrichtung von einem Priester gefragt worden sein soll, ob er zum Christentum übertreten und auf diese Weise in den Himmel kommen wolle. Hatuey soll darauf gefragt haben, wohin die Spanier nach ihrem Tode kämen. Als darauf der Priester meinte, auch die Spanier kämen in den Himmel, soll Hatuey geantwortet haben, dass er mit solch grausamen Menschen nicht zusammen sein wolle und lieber in die Hölle ginge.

Kuba, Baracoa, El Yunque
El Yunque, das unverrückbare natürliche Wahrzeichen der Stadt Baracoa,
aufgenommen von der Playa Blanca über die Bucht von Baracoa hinweg.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen